6
 
 

„ B I L D N I S   D E R   F R A U
M I T   D E M
F L A M M E N D E N   H A A R “



 
 
 
 
 
 

„Ich erinnere mich nicht an ihr Gesicht ... – doch, ein wenig. Ihre Haut war nicht blau, wie man im ersten Moment hätte annehmen können, sondern eigentlich war sie von einem Grau, das sich direkt an der Grenze zu Blau befand. Wenn ein helles warmes Licht sie erfasste, erstrahlte sie nicht, sondern wirkte wie ein dunkler, trüber Felsen, den die Gesetze von Raum und Zeit nicht erfassen. Sie hatte eine wilde, wie Feuer züngelnde Haarpracht – loderndes Orange in kühlen Pastelltönen.

Die Situation war ähnlich wie auf dem Bild. Sie stand, nein sie kauerte im Sand vor dem Hintergrund eines weiten dunkelgrünen Ozeans auf einem anderen Planeten namens Zin Bakh Taj, wo ich sie endlich wiedersah. Auch in dem Traum, den Shunji damals gehabt hatte, stand sie am Rande dieses Ozeans. Ihre Augen, blau (nicht wie Lapislazuli oder Königsblau, erst recht nicht Türkis oder Ultramarin, sondern anders – wie soll ich eine Farbe beschreiben, die so schön ist wie diese?), funkelten mit einem Sternenlicht mich an, ähnlich wie bei Katzen in der Dunkelheit. Mit einem Blick zur Seite, zu mir, leicht skeptisch, leicht belustigt. Zwischen ihren an den Körper herangezogenen Beinen und ihrer Brust umschlossen leuchtete ein Ball - Irrlicht - in Orange, wärmer und voller als ihr Haar. Auch ihre Oberarme lagen über ihm, ihre Ellbogen ruhten auf ihren Knien, und ihre Hände hingen sanftmütig verschränkt in der Luft, vor ihr über dem Sand.

Der weisse Sand des Strandes hinter ihr, unwirklich verschleiert, das dunkle Blau der Bucht dahinter, kaum ohne Wärme, und dahinter, braune Gebirgsausläufer in der Ferne.

In seinem Traum hatte Shunji verstört und voll heftiger Hingerissenheit ihr Gesicht berührt – um sofort zu Eis zu erstarren. Ich hingegen – in der Wirklichkeit – fürchtete mich, sie zu berühren. Ich wusste: Meine Leidenschaft, mein Feuer würden entfacht sein, und ich würde lichterloh brennen vor innigstem, intensivstem Gefühl.

Ihr Körper war zart und glatt, und ihre Hände berührten mein Gesicht, mit einer unvorstellbaren, nie gekannten sinnlichen Sensibilität. Vorher hatte ich Angst vor dem Gefühl gehabt – jetzt nach der Berührung habe ich Angst davor, dass ich bald einmal das Gefühl vergessen könnte.“


 
- OETHUFANSKIJ







   ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS ~ THE SHONEN AI EUDEMONIUM

ZURÜCK ZUM PORTRAIT-TEXT